Zypern und seine Preise. Seine überteuerten Immobilien, enorme Strom- und Wasserkosten und immer mehr steigende Lebensmittelkosten -
Lohnt sich die Auswanderung nach Zypern wirklich noch?
Zypern war nach der Finanzkrise im Jahr 2013 stark geschädigt worden, beziehungsweise hat sich, den Investoren und den Bürgern, selbst geschadet. Ein Plan musste her, um das bei vielen Ausländern recht unbekannte Land wieder attraktiver zu machen. Wie schaffte man die Kehrtwende? In den meisten Ländern Europas stiegen die Steuerabgaben besonders für Unternehmer stetig. Es lag also auf der Hand, dass eine besonders günstige Besteuerung für Ausländer wieder mehr davon ins Land und somit auch mehr Geld in die Kassen spülen würde. Und somit war die Steueroase Zypern geboren.
Nachdem die "Cyprus Papers", die besonders reichen Ausländern aus Russland und China gegen eine Immobilien-Investition den europäischen Pass ermöglichte, durch die Medien aufgeflogen waren, musste ein neuer Plan her: enorm niedrige Steuern für Unternehmer aus dem europäischen Ausland, steuerfreie Gehälter und keine Steuern auf Dividenden. Nach einigen Jahren kamen die Unternehmer in Scharen. Gerade auch aus Deutschland.
Und ja, die Steuervorteile auf Zypern gibt es wirklich. Und sie lohnen sich. Auch wir sind deshalb nach Zypern ausgewandert. Aber auf Grund der in den letzten zwei Jahren enorm gestiegenen Mietpreise und Lebensunterhaltungskosten auf Zypern auch nicht mehr für jeden Unternehmer. Vorweg: wenn dein Einkommenssteuersatz bei 20 bis 25% liegt, auf Grund von Umsätzen und Gewinnen, dann ist Zypern nichts für dich - denn neben den Steuerersparnissen werden dir die Mietpreise, Strompreise, Wasserkosten und Produktpreise im Supermarkt auf Zypern zu schaffen machen, und schon sind die Steuervorteile wieder aufgebraucht.
Warum ist das so? Die Inflation und die Steigerung weltweiter Kosten durch den Krieg in der Ukraine hat Zypern hart getroffen. Aber auch jeder auf Zypern versucht sich aktuell, an allem zu bereichern. Um die Bürger ein wenig zu entlasten, wurde festgelegt, dass Grund Nahrungsmittel wie Brot, Milch und Eier nicht mehr besteuert werden. Was machen jedoch die Supermärkte auf Zypern (auch Lidl)? Sie erhöhen einfach die Produktpreise um den Wert der Steuer, und bereichern sich an dieser gut gemeinten Aktion der Regierung.
Das war nur ein kleines Beispiel. Seit dem Krieg der Ukraine und der Sanktionen gegen Russland kommen Ukrainer und Russen gleichermaßen nach Zypern, um dort Firmen zu gründen, von Europa und den niedrigen Steuersätzen zu profitieren und Sanktionen zu umgehen. Wohlgemerkt kommen Ukrainer und Russen, die es sich leisten können. Seit Beginn des Krieges also hat sich der Wohnungsmarkt auf Zypern negativ entwickelt. 2020 konnte man auf Zypern Häuser mit Garten, drei Zimmern und einem Pool in guter Lage in Paphos zu einem Mietpreis zwischen 780 und 1.100 Euro mieten. Und das waren schon Preise, die auf die Zielgruppe "Ausländer" ausgelegt waren. Wer heute die Inserate durchstöbert, wird ein solches Angebot nur noch für 1500 bis 2500 Euro finden. Und das, weil gutbetuchte Ausländer aus der Ukraine und Russland solche Preise zahlen, weil sie häufig von ihren Firmen entsandt werden und Geld hier weniger eine Rolle spielt.
Du solltest dir also die Frage stellen, ob du bereit bist, den dreifachen Preis zu zahlen, für Häuser, die ohnehin in einem meist sehr einfachen Zustand dastehen und ohne Heizung oder Isolierung daherkommen. Alle 12 Monate wird übrigens die Miete erhöht, und langfristig mieten ist auf Grund der Tatsache, dass Immobilien auf Zypern immer nur für 12 Monate vermietet werden, keine Option.
Denn dafür sind die Personen, die am Mietmarkt mitverdienen, viel zu gierig. So lange es reiche Ausländer akzeptieren, drei bis vierfache Mietpreise zu zahlen, wird sich für dich nichts ändern.
Generell haben wir uns seit Auswanderung immer wieder gefragt, weshalb die Zyprioten so zuvorkommend und offen gegenüber Ausländern sind, und weshalb es die meisten nicht ärgert, dass es ganze Stadtteile gibt, in denen kaum noch Zyprioten leben:
Es werden auf Zypern ganze Dörfer und Gemeinden gegründet, die von Anfang an nur als Zielgruppe eines im Sinn haben: Ausländer, die Geld herbringen. Die Zyprioten selbst leben eigentlich sehr stark unter sich, was auch verständlich ist. Aber solange jeder von den Ausländern mehr als gut profitiert, werden sie natürlich auch geduldet. Viel zu viel Geld bringen Touristen und Unternehmer jedes Jahr nach Zypern. Wären es Ausländer, die auf Hilfe angewiesen sind, würde das ganz anders aussehen.
Alle verdienen sehr gutes Geld mit uns. Sei es Zahnarztpraxen, die ausschließlich Ausländer behandeln, Restaurants und Supermärkte, die nur für Ausländer erschaffen wurden, oder das Eigentumshaus einer zypriotische Familie, die bares Geld in der aktuellen Zeit wittert, und ihre Immobilie zu einem Preis vermieten kann, welcher das Dreifache des Durchschnittsgehalts auf Zypern beträgt. Anwälte, Berater, Baufirmen, Fachgeschäfte - alle würden ohne Ausländer nur 30% ihres Umsatzes erzielen.
Und auch Zypern im Allgemeinen zieht sich aus dem EU-Topf, was es zu holen gibt. 15 Kilometer Autobahn werden von der EU mit 86 Millionen Euro finanziert, ganze, eigentlich schöne Stadtkerne kernsarniert und Häfen aufgerissen. Ohne Europa würde Zypern ganz sicher noch über Schotterwege bezwingbar sein.
Das alles schreibe ich hier, da ich dir als Auswanderer und Gründer des ersten deutschen Portals für Auswanderer auf Zypern eine realistische Einschätzung geben möchte, gerade auch weil einige häufig gefrustet auf den Heimatstaat ist, und sich nach Alternativen umschaut.
(Über diesen Frust, und ob Auswandern wirklich glücklicher macht, habe ich hier geschrieben.)
FAZIT: Zypern kann eine echte Alternative sein, wenn Du genügend Geld verdienst und dir dann viele Vorteile und einen ganz besonderen Lebensabschnitt bescheren. Lasse dich nur nicht durch all die Berater, Videos und den Blick aufs Meer blenden, sondern bleib realistisch und gut vorbereitet. Dann wirst auch Du eine unvergessliche Zeit auf Zypern verbringen.
Als Ausländer kannst du aber auf jeden Fall den Spieß ein wenig umdrehen, indem du von den Steuervorteilen des Landes, dem guten Wetter und dem Lifestyle profitierst, sonst aber keine größeren Investitionen hier tätigst. Im besten Falle sogar so, dass du nur die Mindestzeit auf Zypern verbringst, nämlich 60 Tage im Jahr, bestmöglich im Sommer.
Bootkauf, Solaranlage aufs Dach, teure Autos, Sachen aus Deutschland für viel Geld importieren, erhöhte Touristenpreise an notdürftig erbauten Strandlocations - all das solltest du auf Zypern lieber vermeiden! Grundsätzlich gilt auch hier: wo viele Einheimische hingehen, solltest du auch hingehen. Das stärkt zum einen dein Netzwerk an Zyprioten, und zum anderen bewahrt es dich von manchen Abzocken auf Zypern.
